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„Was die Deutschen essen, wie Millionen Nutztiere gehalten werden, oder wie viel Chemie auf Feldern landen darf? Wer erfahren will, wo solche Fragen hierzulande maßgeblich mitentschieden werden, der muss sich auf den Weg nach Berlin machen. Dort sitzt in einer Seitenstraße des Machtzentrums um Kanzleramt und Reichstag der Deutsche Bauernverband. Der DBV ist die größte Lobbyorganisation der Landwirte, Dachverband von 18 Landesbauernverbänden…“

„Nur einen Kilometer vom DBV entfernt, im deutschen Bundestag, weiß man am besten, wie die Lobbyorganisation ihren Einfluss sichert. Der Bauernverband habe in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich verhindert, dass Umwelt- und Tierschutzvorgaben verschärft wurden, sagt ein Abgeordneter. Dabei hatten renommierte Berater genau solche Verschärfungen von der Bundesregierung eingefordert. Die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland sei in der heutigen Form nicht zukunftsfähig, warnte beispielsweise der wissenschaftliche Beirat der Regierung.“

Der CDU-Politiker „Röring ist dort bis zum heutigen Tag Vorsitzender des Fachbeirats Rind und Schwein. Ausgerechnet der Mann, in dessen Ställen Tierschützer erhebliche Missstände ausgemacht haben wollen, wacht darüber, dass die Kriterien für das QS-Prüfzeichen eingehalten werden, entwickelt Richtlinien und Prüfvorgaben. Die große Frage ist: Wie unabhängig kann ein Abgeordneter mit so vielen Posten agieren? Im Bundestag sitzt er als Volksvertreter. Doch wie verträgt sich das mit seiner Aufgabe als Bauernpräsident? Als solcher muss er sich für die Belange der Landwirte einsetzen – eigentlich ein klassischer Interessenkonflikt.“

„Timo Lange von Lobbycontrol hat da eine etwas andere Einschätzung. Zwar seien die Nebentätigkeiten legal, ‚aber wenn Abgeordnete neben ihrem Bundestagsmandat Lobbytätigkeiten übernehmen, ist das hochproblematisch. Der Interessenkonflikt wiegt schwer, da sie vertraglich dazu verpflichtet sind, bestimmte Interessen zu vertreten und dafür auch noch bezahlt werden‘.“

„Nach Aussage der Organisation Abgeordnetenwatch sind Landwirte neben Rechtsanwälten die am besten vertretene Berufsgruppe im Bundestag. Besonders im mächtigen Agrarausschuss sind sie gut repräsentiert, 13 der 17 Vertreter aus CDU/CSU haben einen Bezug zur Branche. Die meisten sind selbst Bauern, oft mit eigenen Betrieben, die zum Teil Familienmitglieder führen. Wo da die Interessen liegen, zeigte sich am Verhalten der Ausschussmitglieder in den vergangenen vier Jahren: Auffällig stark war der Widerstand gegen strengeres Düngerecht, gegen Beschränkungen bei der Massentierhaltung, gegen strengere Luftreinhaltungsvorgaben für Ställe, gegen ein Verbot von Glyphosat oder gegen bessere Tierschutzgesetze.“

„Wer nach intransparenten Strukturen sucht, der findet sie in der deutschen Agrarwirtschaft landauf, landab. Sie ist ein Paradies für Lobbyisten. Die Interessenvertretung funktioniert hier über ein fein austariertes Geflecht aus Vertretern der Landwirtschaft, der Agrarmaschinenhersteller oder der Chemie- und der Gentechnikindustrie. Funktionäre und Manager schieben sich innerhalb dieses engen Netzwerks ihre Posten gegenseitig zu. Wer für wen lobbyiert, ist häufig unklar.“

„Ein Politiker erinnert sich, wie ihn nach einer kritischen Rede ein Agrarminister ansprach: ‚Wenn du irgendwann auch auf Linie bist, dann sorgen wir auch für dich.‘ Für den Politiker war klar, was gemeint war: Es winken lukrative Posten, wenn die politische Richtung stimmt. Abgeordnete wiederum berichten, dass der Bauernverband ihnen ganz unverblümt angeboten habe, Sprechzettel für Reden zu formulieren – als kleine Hilfe im Abgeordnetenalltag. Nicht wenige würden solche Angebote annehmen, sagt ein Agrarpolitiker, der derartige Offerten nur als Einstieg zu einer noch engeren Verbindung sieht.“

„Auf der Strecke bleiben jedenfalls nicht nur die Interessen des Tier- und Naturschutzes und die vieler Verbraucher“

„Franz-Josef Holzenkamp ist den meisten Deutschen vermutlich unbekannt. Dabei entscheidet der Bundestagsabgeordnete seit Jahren maßgeblich mit, was sie vorgesetzt bekommen. Der 57-Jährige gilt unter Landwirtschaftspolitikern als die Stimme der Agrarwirtschaft in der deutschen Politik. Im Ranking der Bundestagsabgeordneten belegt Holzenkamp noch einen weiteren vorderen Platz – wenn es ums Geld geht. Bei einer von Abgeordnetenwatch.de erstellten Liste der ‚Nebenverdiener‘ im Bundestag kommt er auf Einnahmen zwischen 287 500 und 644 000 Euro in einer Legislaturperiode – Platz vier der Top-Verdiener. Der Westfale und Landwirt ist Aufsichtsratschef von Agravis, einem Düngemittel- und Getreidehandelskonzern in Münster mit mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz und gut 6000 Beschäftigten. Es ist nicht sein einziger Aufsichtsratsposten in der Branche. Beobachter fragen sich, ob es nur das Interesse am Wohl der Landwirte war, das den Abgeordneten Holzenkamp trieb, als er sich vehement für den weiteren Einsatz des umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat aussprach.“

„Der Grünen-Abgeordnete Friedrich Ostendorff geht noch weiter: In keinem anderen Politikfeld sei die Verschmelzung von Politik und Wirtschaft so ausgeprägt wie im Agrarsektor. Damit stehe das Vertrauen der Politik auf dem Spiel.“

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/report-hegen-und-pflegen-1.3668000

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