«Obwohl rund 94 % der EU-Bevölkerung finden, dass es landwirtschaftlich genutzten Tieren gut gehen soll, werden innerhalb der Europäischen Union je nach Schätzung zwischen 10 und 70 Millionen Enten und Gänse pro Jahr zwangsgefüttert, um Stopfleber zu produzieren.
Dabei wird die Stopfleberproduktion insbesondere auch aus tiermedizinischer Perspektive kritisiert, weil die Zwangsfütterung keinerlei Tierschutzkriterien entspricht und deshalb als eine der für die betroffenen Tiere schmerzhaftesten noch genutzten Methoden in der landwirtschaftlichen Tierhaltung gilt. Die Zwangsmast widerspricht auch explizit der Gesetzgebung der Europäischen Union. Ganz grundsätzlich haben sich die EU-Mitgliedstaaten im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) nämlich verpflichtet, bei “der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, […], den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung” zu tragen (Titel II, Artikel 13 AEUV). Doch damit nicht genug: Neben dieser eher allgemeinen Formulierung hat das EU-Parlament 1999 in einer Richtlinie genauere Bestimmungen zum Schutz landwirtschaftlich genutzter Tiere beschlossen und dabei auch festgelegt, dass für die Haltungsbedingungen “praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse” maßgeblich sind:
“Die Tiere müssen eine gesunde, altersgemäße und artgerechte Nahrung erhalten, die ihnen in so ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen ist, daß sie gesund bleiben. […] Die Art des Fütterns und Tränkens darf den Tieren keine unnötigen Leiden oder Schäden verursachen.”
Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, Anhang 14
Die Vorgaben dieser Richtlinie können in der Zwangsfütterung nicht eingehalten werden: Das beweisen die vielen Verletzungen der Tiere an ihren Schnäbeln und Kehlköpfen und auch die bis zu 25 Mal höhere Sterberate während der Zwangsmast. Außerdem kann eine systematische Überfütterung natürlich keine artgerechte Fütterung im Sinne der Richtlinie sein.
Kurz zusammengefasst: Die große Mehrheit der Menschen in der EU wünscht sich, dass es landwirtschaftlich genutzten Tieren gut geht. Die EU verbietet, dass Tiere unter der Art der Fütterung leiden. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen für die Haltungsbedingungen von Tieren in der EU maßgeblich sein. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass die Enten und Gänse unter der Zwangsfütterung leiden. Und dennoch werden Millionen von Enten und Gänse jedes Jahr innerhalb der EU zwangsgefüttert.»
Anmerkungen:
- 94 % der EU-Bevölkerung finden, dass es landwirtschaftlich genutzten Tieren gut gehen sollte. Hier stellt sich die Frage, wie die Quadratur des Kreises gelingen soll, dass es Opfern von Ausbeutung, Vergewaltigung, systemimmanenter Gewalt und finaler Ermordung «gut geht»?
- 94 % der EU-Bevölkerung finden, dass es landwirtschaftlich genutzten Tieren gut gehen sollte, aber 98,5 % der Bevölkerung konsumieren Tierprodukte und sorgen damit genau dafür, dass es den Tieren nicht «gut geht».
- Als besonders interessant erachte ich den Aspekt, dass 6 % finden, dass es den landwirtschaftlich genutzten Tieren nicht gut gehen sollte. Fast 94 % heucheln Tierfreundlichkeit, aber 6 % bekennen sich offen zur Tierquälerei.
- An der Gesetzgebung kann man sehen, wie verlogen die Politik ist. Gesetze werden in schöne Worte gekleidet, sodass der Normalbürger stolz auf die vermeintlich strenge Tierschutzgesetzgebung ist. In Tat und Wahrheit sind die Gesetze nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Durch Ausnahmen, Verordnungen und andere Regelungen werden sämtliche Tierschutzgesetze nahezu immer ausser Kraft gesetzt. Und wenn sie doch einmal angewendet werden, dann nehmen sie die Gerichte nicht ernst und verhängen im Extremfall mal eine Bagatellbusse, die dann in der nächsten Instanz noch einmal abgemildert oder aufgehoben wird.
https://animalequality.de/blog/die-verlogenheit-der-stopfleberindustrie/