Sehr geehrter Herr Dr. Henrich,
regelmäßig lese ich mit großem Interesse Ihre Newsletter. Auch wenn man selbst aus ethischen Gründen vegan lebt, sind doch auch die gesundheitlichen Aspekte interessant, weil man öfter in Diskussionen mit (noch) nicht vegan lebenden Menschen darauf angesprochen wird. So weit decken Sie also mein Informationsbedürfnis sehr gut ab!
Seit einiger Zeit treibt mich eine Frage um, zu der Ihre Meinung sehr interessant wäre. Ich beobachte, dass gut meinende Menschen / Organisationen Hunde aus südeuropäischen Ländern „importieren“ und versuchen, diese bei uns an Familien zu vermitteln. Natürlich ist es viel besser, einen aus einer Tötungsstation geretteten Hund bei sich aufzunehmen, als das Geschäft eines Züchters zu unterstützen, wenn man denn einen (oder mehrere) Hund(e) will. Wird der Hund anschließend vegan ernährt, ist das auch voll in Ordnung, man rettet ein (oder mehrere) Leben.
Leider ist es aber so, dass in Deutschland 99% der Haushalte nicht vegan sind (Zahlen aus Österreich und der Schweiz kenne ich nicht, sind vermutlich ähnlich). Und selbst im Umfeld meiner veganen Freunde beobachte ich, dass zumindest Katzen mit Fleisch gefüttert werden, Hunde mit einem Anteil an Fleisch. Man muss bei der Vermittlung von Straßenhunden aus den Tötungsstationen südeuropäischer Länder eine grausame Rechnung aufmachen:
Mindestens 99% der nach Deutschland vermittelten Hunde werden zumindest anteilig mit tierlicher Nahrung versorgt. Die geringe Anzahl vegan ernährter Hunde ist in der weiteren Betrachtung leider vernachlässigbar. Nehmen wir an, etwa die Hälfte davon mit einem hohen Anteil an Fleisch von 80%, die andere Hälfte mit einem geringen Anteil von nur 20% (fertiges Trockenfutter enthält meist wenig Fleisch). Das macht im Mittel 50% Fleischanteil.
Nehmen wir weiter an, die vermittelten Hunde leben noch 10 Jahre, wiegen durchschnittlich 20 kg, und hätten einen Nahrungsbedarf von 800 g pro Tag, woraus sich ein Fleischanteil von 400 g pro Tag und Hund ergäbe. Bei Nahrung für Menschen rechnet man grob, dass die Hälfte des Lebendgewichts eines Schlachttieres verwertbar ist. Da für Tiernahrung auch Nebenprodukte verwendet werden, gehen wir von 2/3 des Lebendgewichts aus, also 600 g „Lebend-Schlachttier“. Somit ergibt sich ein Jahresbedarf von 219 kg. Bei 10 Jahren Restlebenszeit verzehrt der durchschnittlich angenommene Hund 2190 kg „Lebend-Schlachttier“.
Ein Rind kann vor Schlachtung ein Lebendgewicht von 500 kg haben, ein Schwein grob 100 kg, ein neu geborenes Kalb aus der Milcherzeugung, das „entsorgt“ werden muss vielleicht 40 kg, kleine Tierarten wie Federvieh, Kaninchen … nur wenige kg. Gehen wir mal als extrem grobe Näherung davon aus, dass das durchschnittlich getötete Schlachttier eine Lebendmasse von 100 kg habe.
Daraus folgt, dass für jeden geretteten Hund durchschnittlich 22 Nutztiere gezüchtet und getötet werden müssen, um den geretteten Hund bis ans Ende seiner glücklichen Tage hier bei uns zu ernähren.
Ist das ethisch vertretbar?
Müsste nicht − zur Minimierung des Leids in Summe − besser der Hund getötet werden? (Möglichst ohne Angst und Schmerzen!) ‘Nur’ ein Toter im Vergleich zu 22 Toten?
Betrachten wir noch einmal die Genauigkeit dieser Abschätzung: Sie ist natürlich sehr ungenau. Nimmt man einen sehr kleinen Hund mit geringem Nahrungsbedarf, der noch dazu schon älter ist, so reicht vielleicht ein einzelnes Rind für seine Ernährung für den Rest seines Lebens. Dann tauscht man ‘nur’ ein Leben gegen ein anderes. Andererseits vernichtet ein großer Hund von 50 kg, der überwiegend mit kleinen Tieren ernährt wird, beispielsweise Kaninchen, vielleicht tausende dieser Kaninchen im Verlauf seines Lebens. Im Durchschnitt sterben sehr viel mehr andere Tiere, um den Hund zu ernähren.
Häufig wird argumentiert, dass für die Tiernahrung Fleischanteile verwendet werden, die für die Ernährung des Menschen ungeeignet seien, es sich also nur um Resteverwertung handle und somit kaum zusätzliche Tiere geschlachtet werden müssen. Dieses Argument hat Gewicht und soll gewürdigt werden:
Vergleicht man den Preis von einem kg Dosenfutter für Hund (oder Katze) mit dem Preis von Hackfleisch oder manchen Wurstwaren für die menschliche Ernährung, so fällt auf, dass die Tiernahrung meist teurer ist! Es scheint also eher so, dass der Gewinn mit dem Hunde- und Katzenfutter gemacht wird, und der Rest dann billig menschlichen Verbrauchern angeboten wird, um sie in den Laden zu locken. In jedem Fall aber ermöglicht die Verwertung tierlicher Nebenprodukte für Tierfutter zu hohem Preis es den Schlächtern, die Preise für die Schlachtwaren für Menschen deutlich niedriger zu kalkulieren und dadurch den Konsum zu erhöhen. Bestünde keine Möglichkeit, Schlachtabfälle teuer als Hunde- und Katzenfutter zu verkaufen, müssten diese im Gegenteil teuer entsorgt werden. Damit würde der Preis für Fleisch- und Wurstwaren für Menschen steigen, vermutlich ginge der Konsum zurück und rein pflanzliche Alternativen wären konkurrenzfähiger.
Es muss vermutet werden, dass auch durch die Verwertung von Schlachtabfällen insgesamt mehr Nutztiere sterben, da über geringere Kosten von Fleisch und Wurst (indirekt auch geringere Kosten für Milch und Eier) mehr Tiere von Menschen ‘konsumiert’ werden. Mag sein, dass dann aber nicht mehr 22 Nutztiere pro Hund sterben müssen, sondern vielleicht ‘nur’ 10 oder ‘gar nur’ 5.
Aus diesen Betrachtungen folgt der grausame Schluss, dass es besser wäre zur Minimierung des Tierleids, die Hunde in ihren Heimatländern zu töten, natürlich auf möglichst angst- und schmerzfreie Art, als sie zu uns zu vermitteln. Furchtbar, wie ich zugeben muss! Nur wenn sichergestellt werden kann, dass der gerettete Hund in der Folgezeit vegan ernährt wird, entsteht kein zusätzliches Leid, das das Leid des Hundes in der Tötungsstation übertrifft.
Es gibt Leute, die an allem etwas auszusetzen haben, und die könnten nun anmerken, dass selbst zusätzlicher Verbrauch von Pflanzen für Tiernahrung schlecht ist, denn das vergrößert das Welthungerproblem. Solange der Konsum an Nahrung tierlichen Ursprungs für den Menschen bei uns nun mal so hoch ist, wie er ist, muss die EU Futtermittel importieren, das zum Teil auch aus Hungergebieten stammt. Statt veganes Tierfutter zu erzeugen, sollten wir lieber alle Haustiere töten und die eingesparte vegane Nahrung an Hungergebiete abgeben bzw. entsprechend weniger Futtermittel von dort importieren.
Grundsätzlich ist da was dran. Das trifft aber auch auf den Konsum von Kaffee oder Tee oder Tabak zu, denn diese Genussmittel enthalten (fast) keine Kalorien, tragen also nichts zur Ernährung bei, verbrauchen jedoch Anbaufläche. Für eine Banane als importiertes Genussmittel gilt das nicht, denn wenn wir die essen, benötigen wir eine Scheibe Brot weniger, in Summe wird somit keine Anbaufläche verschwendet. Andererseits würde rein pflanzliche Ernährung der Menschen bei uns so viel Anbaufläche frei geben, dass die vegane Ernährung von Haustieren sowie die Produktion von Genussmitteln und etwas Biosprit locker möglich wäre auf unseren eigenen Flächen. Das Welthungerproblem würde sich verringern (zunächst − durch den weiteren Anstieg der Weltbevölkerung wäre es bald wieder auf altem Niveau).
Vermutlich ist es heikel, gegen die Vermittlung von Hunden aus Spanien oder Portugal oder Rumänien zu argumentieren. Jedem Tierschützer blutet das Herz, sieht er die Bilder von den Bedingungen dort. Ich möchte Sie keinesfalls dazu anstiften in Ihren Newslettern so etwas zu schreiben. Andererseits ist den Menschen nicht bewusst, was sie anrichten durch Aufnahme zusätzlicher Hunde, die nicht vegan ernährt werden.
Ersetzt ein geretteter Hund ein Tier vom Züchter, bleibt der Verbrauch an Schlachttieren gleich. Meine Beobachtung ist jedoch, dass die (vermeintlich) tierlieben Menschen sich überreden lassen, mehr gerettete Hunde aufzunehmen, als sie vom Züchter kaufen würden. In meinem Bekanntenkreis kenne ich Beispiele zwischen 3 und 7 Hunden (nicht vegan ernährt). Ich kenne auch ein Beispiel mit 12 Hunden, die allerdings vegan ernährt werden (leider die einzige Ausnahme in meinem Umfeld).
Unbenommen davon ist natürlich die Kastration von Straßenhunden in südlichen Ländern sehr zu begrüßen. Nur die anschließende Vermittlung zu uns in nicht-vegane Haushalte muss kritisch gesehen werden.
Ich entschuldige mich für den viel zu langen Text, den ich Ihnen zumute und habe Verständnis, wenn Sie es nicht lesen. Sollten Sie aber wider Erwarten durchgehalten haben, würde mich Ihre Einstellung dazu sehr interessieren!
Herzliche Grüße aus Bayern,
Ludwig R
Meine Antwort:
Sehr geehrter Herr R,
Sie schildern ein alt bekanntes Problem.
Meine Einstellung dazu ist klar:
Wer sein Haustier mit Fleisch füttert, ist kein Veganer. Es ist moralisch irrelevant, ob das Fleisch im eigenen Mund oder in dem des Tieres landet.
Es ist grotesk, ja ein Irrsinn, einen Hund oder eine Katze aus ethischen Gründen zu retten und zu adoptieren und dann für dieses Tier viele andere Tiere ermorden zu lassen.
Damit nicht genug. Der Irrsinn wird noch auf die Spitze getrieben, wenn man bedenkt, dass Hund und Katze gesund vegan ernährt werden können und dies nicht geschieht, weil das Hirn der Halter nicht ordnungsgemäss funktioniert.
Mit den besten Grüssen
Ernst Walter Henrich
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Ich kann das kurze und klare Statement von Herrn Dr. Henrich nur bestätigen!
Immer mehr Haustiere u.a. Hunde und Katzen, leiden bereits an den Folgeschäden der schrecklichen Inhalte (Abfälle) in den handelsüblichen Futtermitteln. Leber-/Darm-/Blasenkrebs, Hauttumore u.v.m. werden bei den Tieren immer früher festgestellt!
Der Fleischkonsum hatte und hat einen Einfluss auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns. Zweifellos. Das Ergebnis lässt sich auch in den Kommentaren der nichtveganen Tierhalter ablesen.
Die Haustiere bekommen dieselben Krankheiten, wie ihre Halter. In meinem Umfeld mehre Beispiele. Kein Hund älter als 12 Jahre geworden , vorher dieselben Gebrechen und Siechtum wie Menschen in analogem Alter. Diabetes, Arthritis, Osteoporose und Co.