Dr. Gabriele R. Helmer ist Ethnologin und Religionswissenschaftlerin und lebt derzeit in München. Als Entspannungstherapeutin unterrichtet sie Yoga, Autogenes Training und Meditation. Seit 30 Jahren ernährt sie sich vegan und sieht ihre Lebensaufgabe in der Verbreitung der veganen Lebensweise.
ProVegan: Bist Du Veganerin?
Dr. Helmer: Ja.
ProVegan: Bezeichnest Du Dich als Veganerin?
Dr. Helmer: Nein, ich ernähre mich artgerecht. Menschen sind von Natur aus Pflanzen(fr)esser.
ProVegan: Seit wann lebst Du vegan?
Dr. Helmer: Meine erste Erkenntnis hatte ich im Alter von sieben Jahren bei einem Besuch im Kuhstall. Wie die Bäuerin die Kühe an eine Maschine anschloss und daraufhin die Milch aus den Eutern der Kühe herausfloss, war für mich ein schrecklicher Anblick. Ich war mir sicher, dass hier Leid und Unrecht an den Tieren verübt wird. Ich beschloss sofort nie wieder Milch zu trinken. Die weiteren Schritte entwickelten sich im Laufe der Jahre in meinem Inneren. Seit 30 Jahren ernähre ich mich ausschließlich pflanzlich. Seit 14 Jahren ernähre ich mich von Biorohkost und esse in kleinen Mengen Brot.
ProVegan: Wie fühlst Du Dich in einer Gesellschaft in welcher der Verzehr von Fleisch und tierlichen Produkten überwiegt?
Dr. Helmer: Die Gefühle sind sehr unterschiedlich. Ganz ehrlich gesagt gehöre ich nicht zu dieser Gesellschaft. Um an dieser Arroganz und Brutalität der Menschen den Tieren gegenüber nicht zu verzweifeln, versuche ich eine gewisse Distanz zu dieser Gesellschaft einzuhalten. Meine Gefühle schwanken zwischen Trauer, Wut und absolutem Unverständnis. Aber ich lasse die Tiere nicht im Stich, ich kämpfe für sie.
ProVegan: Wie analysierst Du das Verhalten der Menschen den Tieren gegenüber?
Dr. Helmer: Es zeigt mir auf welch niedrigem Entwicklungsstand wir Menschen uns tatsächlich bewegen. Etwas Niveauloseres kann ich mir nicht vorstellen. Lebewesen zum Töten züchten und dann genüsslich verzehren! Vor dem Töten werden sie aber auch noch gequält und restlos ausgebeutet. Ich sehe einen großen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Menschen den Tieren gegenüber und dem Umgang der Menschen untereinander. Hier gibt es viele Übereinstimmungen.
ProVegan: Was denkst Du über die Zukunft der Erde?
Dr. Helmer: Durch das Aussterben der Menschheit wird sich die Erde wieder erholen. Ich hatte eine sehr kurze, aber sehr schöne Begegnung mit einem älteren Passanten. Wir sprachen über den Umgang der Menschen mit unserem Planeten. Der ältere Herr gab mir folgende Antwort: „Es treffen sich zwei Planeten, Erde und Mars. Die Erde wirkte auf den Mars sehr traurig und niedergeschlagen. Der Mars fragte: Erde, was ist mit dir los? Die Erde seufzte tief und sagte, ich habe Ungeziefer. Was für Ungeziefer hast du denn? Homosapiens, gab die Erde zur Antwort. Der Mars beruhigte die Erde, und sagte, mach dir nichts daraus, die verschwinden eines Tages von selbst.“ Und so wird es meiner Meinung nach auch kommen, wir befinden uns auf dem Weg dorthin.
ProVegan: Hast Du vegane Vorbilder?
Dr. Helmer: Nicht unter den Menschen. Aber ich erfreue mich sehr an veganen Hunden, die bei bester Gesundheit ein hohes Alter erreichen.
ProVegan: Der Nobelpreisträger Issac Bashevis Singer war ein großer Tierfreund. Was können wir von ihm lernen?
Dr. Helmer: Er war Jude und setzte sich vehement für die Tiere ein. Deshalb wurde er von seinen eigenen Leuten ziemlich angefeindet. Er ist aber trotzdem seinen Weg gegangen. Er hat Rückgrat gezeigt. Von diesen Menschen gibt es wenige. Er lehrt uns den eigenen Weg zu gehen auch wenn nötig gegen die eigene Gesellschaft.
ProVegan: Wie denkst Du als Religionswissenschaftlerin über das rituelle Schlachten?
Dr. Helmer: Hier muss in allen Religionen, in denen das rituelle Schlachten eine Rolle spielt, ein Umdenken stattfinden. Es gibt keine akzeptable Form von Schlachten, so wie es keinen gerechten Krieg gibt. Opfergaben können auch in Form von Geldspenden oder veganen Speisen erbracht werden. Die in diesem Zusammenhang so hoch gehaltene Religionsfreiheit wird meiner Meinung dadurch in keinster Weise eingeschränkt. Fleisch zu essen ist kein religiöser Akt. Ich denke, dass hier die Religion missbraucht wird.
ProVegan: Was denkst Du über den Milch- und Eierkonsum der Vegetarier?
Dr. Helmer: Hier sollten die Vegetarier etwas genauer hinsehen und sich über die Milch- und Eierproduktion informieren. Darüber gibt es ausreichend Material. Die Tiere werden zu Maschinen umfunktioniert, gequält und wenn sie nicht mehr rentabel sind, werden auch diese Tiere getötet. Ethisch ist zwischen Fleischessern und Vegetariern kein Unterschied, weil die Folgen für Tier und Umwelt identisch sind. Die verheerenden gesundheitlichen Folgen durch Milch und Milchprodukte sind mittlerweile durch zahlreiche Studien nachgewiesen.
ProVegan: Nach den neuesten Erkenntnissen ist die vegane Ernährung die gesündeste. Gibt es aus Deiner Sicht irgendwelche Nachteile?
Dr. Helmer: Nein, in keinster Weise, im Gegenteil. Alle gewinnen dadurch. Die Menschen ihre Gesundheit und die Tiere ihr Leben.
ProVegan: Sollte man auch Kinder vegan ernähren?
Dr. Helmer: Ja, eines der größten Geschenke, das man einem Kind machen kann.