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Die wichtigsten Aussagen:

«Der Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs logisch vorausgehend ist die Frage nach einer Verletzung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Ist eine Verletzung der Menschenwürde zu bejahen, erübrigt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs: Der Eingriff ist bereits aufgrund der Würdeverletzung verfassungswidrig und kann daher nicht mehr verhältnismäßig sein. Das Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte hat in dem Beitrag „Impfnebenwirkungen und Menschenwürde“, der Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 21.03.2022 und in dem Offenen Brief an die Mitglieder des Bundestages anlässlich der Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht am 07.04.2022 wiederholt dargelegt, dass eine Pflicht zu einer Impfung, die in einzelnen Fällen zum Tode führt, die Menschenwürde verletzt, weil damit Leben gegen Leben abgewogen wird und die (vom tödlichen Ausgang der Impfung) betroffenen Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden. Erläutert wurde dies anhand des Luftsicherheitsgesetzurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15.02.2006, in dem das Gericht den Abschuss eines entführten Flugzeuges zur Rettung durch den Absturz des Flugzeuges bedrohter Menschen wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde der tatunbeteiligten Flugpassagiere für verfassungswidrig erklärte und festhielt, dass ein Menschenwürdeverstoß nur dann nicht vorliege, wenn das Flugzeug ausschließlich mit Angreifern besetzt sei.»

«Wenig überraschend lässt das Bundesverfassungsgericht dieses Argument in seinem Beschluss vom 27.04.2022 links liegen.»

«Es ist nicht nur nicht vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht vom rapiden Verfall des Fremdschutzarguments in der öffentlichen Debatte nichts mitbekommen haben könnte und sich deshalb unverdrossen an den spätestens am 02.02.2022 fertig gestellten sachverständigen Stellungnahmen festhielt. Es kann, auch ohne die über 500-seitige Beschwerdeschrift und die mehrere hundert Seiten umfassenden Anlagen im Wortlaut zu kennen, auch kein Zweifel daran bestehen, dass all diese Argumente, neuere Studien zur Impfeffektivität usw. dem Gericht von den Beschwerdeführern vorgelegt wurden (vgl. dazu Interviewäußerungen des Bevollmächtigten). Das Gericht hat diesen Vortrag der Beschwerdeführer nicht ansatzweise berücksichtigt. Argumente, die dem Gericht nicht passen, werden einfach ignoriert. Dies stellt einen Verfall der Rechtskultur dar, dessen Dramatik kaum überschätzt werden kann.»

«Viel gravierender als diese fehlerhafte und ungenügende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist aber, dass das Gericht tatsächlich Leben gegen Leben abwägt. Das Gericht bestreitet nicht, dass die Impfung in einzelnen Fällen zum Tod führt, erklärt aber dennoch, dass die Abwägung des Gesetzgebers zugunsten der Nachweispflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (Rn. 232). Danach darf der Gesetzgeber zum Schutz der vulnerablen Menschen die Mitarbeiter der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen einem tödlichen Risiko aussetzen (das sich angesichts der Zahl der von der Impfpflicht Betroffenen auch realisieren wird). Dass die Betroffenen auch die Aufgabe ihres Berufs wählen können, relativiert das in keiner Weise. Gesetzgeberisches Ziel ist, dass sich die Betroffenen impfen lassen, nicht, dass sie ihre Tätigkeit beenden (2. Leitsatz). Die Entscheidung zugunsten der Impfung wird den Betroffenen vom Gesetzgeber durch die Drohung mit dem Verlust ihrer Arbeit abgenötigt, so dass keine freie Entscheidung gegeben ist, mit der Folge, dass sich der Gesetzgeber alle negativen Impffolgen zurechnen lassen muss.»

«Dies ist ein Tabubruch, der zwar nicht offen ausgesprochen wird, aber deshalb nicht weniger dramatisch ist. Man möchte die Richterinnen und Richter des Senats fragen, was sie auf Fragen von Hinterbliebenen einer Krankenschwester oder eines Altenpflegers antworten würden, die sich aufgrund der Nachweispflicht haben impfen lassen und daran verstorben sind. „Todesfälle nach der COVID-19-Impfung sind extrem selten. Den Tod Ihrer/s Angehörigen hat der Gesetzgeber zwar nicht gewollt, aber er durfte ihn in Kauf nehmen und außerdem hätte Ihr/e Angehörige/r ja auch ihren/seinen Beruf aufgeben können“? – Das wäre die Antwort, die sich aus dem Beschluss ergibt, aber ist das wirklich vorstellbar?»

«Abschließend soll noch auf einen weiteren Aspekt hingewiesen werden: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt nicht nur die Integrität des Körpers, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper (Sachs/Rixen GG Art. 2 Rn. 148; BVerfG, 23.03.2011, 2 BvR 882/09, juris Rn. 39).»

Fazit

«Der Beschluss vom 27.04.2022 stellt nach den beiden Beschlüssen zur Bundesnotbremse einen weiteren Tiefpunkt in der Geschichte des höchsten deutschen Gerichts dar. Wenn man das Ergebnis und seine Begründung analysiert, muss man sich fragen, ob damit ein Punkt erreicht ist, an dem es nicht vernünftiger wäre, bis auf weiteres jede Hoffnung, dass Karlsruhe in der Corona-Krise die Grundrechte der Bürger und die liberale Demokratie gegen einen übergriffigen Staat verteidigen könnte, aufzugeben.»

Anmerkung: Ich stimme vollkommen zu.

https://netzwerkkrista.de/2022/05/26/grundrechte-ohne-schutz-der-beschluss-des-bundesverfassungsgerichts-zur-einrichtungs-und-unternehmensbezogenen-nachweispflicht/